Geschichte des Osmanischen Reiches
از خودتان درباره کتاب توضیح کوتاهی بنویسید
Ein Reich, das ein halbes Jahrtausend währte, an Grösse nur dem Römischen vergleichbar, das immer wieder kriegerisch an die Grenzen Mitteleuropas klopfte und uns zeitlich so nah steht, dass die europäischen Konflikte, die in den letzten Jahren die grausigsten Schlagzeilen machten, nicht zu verstehen sind, wenn man die Geschichte dieses Reiches nicht studiert. Ein Reich, dennoch, das so gut wie vergessen ist, dessen Sprache nur wenige Spezialisten weltweit überhaupt noch beherrschen, an dem selten ein gutes Haar gelassen wird, erst recht nicht, wenn seine Nachfahren davon sprechen: Das Osmanische Reich ist ein Paradebeispiel für Geschichtsverdrängung an allen Fronten. 1923 fand es sein Ende, seit dann erst gibt es die Türkei. Osmanisch lernt dort heute fast niemand mehr, und an kaum einer europäischen Universität findet man Lehrstühle für Osmanistik. Nun ist es jedoch nicht so, dass zum Osmanischen Reich keine Publikationen vorlägen; selbst auf deutsch und für eine breitere Öffentlichkeit findet sich Literatur. Eine populäre, mit Anekdoten gespickte Darstellung etwa bietet das 1995 erschienene Buch «Das Imperium der Sultane» des Journalisten Wolfgang Gust. Ein Werk ohne wissenschaftlichen Anspruch, das angesichts der herrschenden Ödnis gleichwohl dem Bedürfnis nach einer eingängigen, leicht zu lesenden Einführung entgegenkam. Welcher Mangel an brauchbaren Publikationen zum Osmanischen Reich auch auf akademischer Ebene herrscht, belegt indes gerade die Neuauflage der monumentalen, fünfbändigen «Geschichte des Osmanischen Reiches nach den Quellen dargestellt» von Nicolae Jorga (Primus 1997). Immer noch scheint dieses Werk vom Anfang des Jahrhunderts für alle Interessierten, zumal für Historiker ohne Osmanisch-Kenntnisse, unentbehrlich – obwohl sich Jorga wie seine Vorgänger allzu häufig unkritisch auf die osmanischen Historiographen stützte. Ein eher unreflektierter Umgang mit den osmanischen Quellen war bis weit in die siebziger Jahre üblich. Umwertungen Mit charakteristischer Verspätung geriet die Osmanistik dann jedoch ebenfalls in den von Edward Saids «Orientalism» (1978) ausgelösten methodischen Strudel der Orientwissenschaften. Mit polemischer Emphase manifestierte sich dies 1991 in dem Werk des amerikanischen Osmanisten Abou Al-Haj: «Formation of the Modern State» (Albany, N.Y., 1991). Abou Al-Haj prangerte an, dass die Osmanistik einerseits von den abschätzigen, aus osmanischen Quellen entnommenen Wertungen und Deutungsschemata durchsetzt ist, andererseits das Osmanische Reich nach den Kriterien des modernen europäischen Nationalstaats beurteilt – und demgemäss nur verurteilen konnte. Zur gerechten Einschätzung der Entwicklungen des Osmanischen Reiches müssten statt dessen unabhängige und wertungsfreie Kriterien angewandt werden. Eines der spannendsten und einleuchtendsten Beispiele für den mittlerweile eingetretenen Wandlungsprozess der Osmanistik bietet das in der traditionellen Literatur als «Weiberherrschaft» titulierte Kapitel der osmanischen Geschichte. Gemeint ist der nach dem Tod Süleymans des Prächtigen (1566) gewachsene Einfluss des Harems, vor allem der Sultansmütter, auf die Staatsgeschäfte. Noch in dem bis heute an allen Universitäten gerne genutzten Standardwerk von Joseph Matuz, «Das Osmanische Reich. Grundlagen seiner Geschichte» (1985), finden sich dazu Ansichten, die mit einem unangenehmen Einschlag von Misogynie (und Rassismus) den osmanischen Quellen folgen: Nicht nur der Sultan, sondern auch die hohen und höchsten Würdenträger hingen in erheblichem Masse von den höhergestellten Haremsdamen ab [. . .]. Auch bei politischen Entscheidungen sprachen sie ein gewichtiges Wort mit, obwohl sie dafür in keiner Weise qualifiziert waren. [. . .] Um der Macht willen waren ihnen selbst die verwerflichsten Mittel recht. [. . .] Die Damen im Serail lebten verschwenderisch und luxuriös, während sich gleichzeitig die Staatskasse immer mehr leerte. Natürlich wuchs auch der Einfluss der schwarzen Eunuchen, der Vertrauenspersonen der Haremsdamen. Diese schwarzen Agas, so ihr Name, waren ebenfalls bestrebt, ihre Macht auszubauen und Reichtümer anzuhäufen. Zu einer Revision solcher Urteile, die nur den Gipfel des Eisberges darstellen, kam es dank der gender studies, die hier einen geradezu idealen Gegenstand vorfanden. Leslie Peirces bahnbrechende Studie «The Imperial Harem. Women and Sovereignty in the Ottoman Empire» (Oxford 1993) stellt heraus, dass die Herrschaft der Sultansmütter vielmehr einen stabilisierenden Faktor in einer Zeit intensiven Wandels und ständiger Machtvakuen darstellte, weil mehrere Generationen lang kein geeigneter Thronfolger im Amt und die Nachfolgeregelung unklar war. Ohne die vorübergehende Herrschaft des Harems hätte die osmanische Dynastie womöglich nicht überlebt. Konzis und nötig Die nun erschienene «Osmanische Geschichte» aus der Feder der Münchener Osmanistin Suraiya Faroqhi ist die erste Darstellung, die den Wandel in der Osmanistik an eine breitere, nicht spezialisierte Leserschaft weitergibt. Darin vor allem liegt die Bedeutung des zunächst unscheinbaren, denkbar knapp gehaltenen Buches. Am Beispiel «Weiberherrschaft» lässt es sich ablesen: Statt der Behauptung, die Sultansmütter seien «in keiner Weise qualifiziert», lesen wir bei Faroqhi: «Der Harem war eine komplizierte, stark hierarchisch gegliederte Institution; und es war kaum möglich, sich ohne beträchtliches politisches Geschick darin durchzusetzen.» Die Kürze der Darstellung bewirkt, dass Faroqhi auf jede Art von narrativen Einlagen verzichtet. Die anekdotenreiche Eroberung von Istanbul, die bis heute die Phantasie türkischer Schriftsteller anregt – zuletzt in Nedim Gürsels auch auf deutsch erschienenem Roman «Der Eroberer» –, handelt Faroqhi in drei kargen Sätzen ab und stellt sich damit implizit gegen alle Geschichtsschreibung, die sich an vermeintlich einschneidenden Fakten orientiert und das hermeneutische Bemühen durch leicht vermittelbare Oberflächenreize ersetzt. Diese Enthaltsamkeit schafft auch Platz, der es erlaubt, selbst auf diesen kaum mehr als 120 Seiten noch einen Blick auf Künste und Hofkultur zu werfen. Und so steht nun in der Reihe «Beck Wissen» neben vergleichbar kurzen Abrissen zu «Kleopatra», «Haydns Streichquartetten» oder «Neurodermitis» auch eine «Geschichte des Osmanischen Reiches». Leider ist es auf Grund der Knappheit der Einführung eher unwahrscheinlich, dass sie die überalterten bisherigen Standardwerke voll ersetzt; sie sollte aber als unabdingbares Korrektiv neben sie treten. In Zeiten der Balkankriege, der Diskussion um den türkischen EU-Beitritt, der Bürgerkriege, Grenz- und Unabhängigkeitskonflikte in kaum mehr zu überblickender Zahl dort, wo noch zu Zeiten unserer Grossväter das Osmanische Reich herrschte, ist die Osmanistik keine Orchideendisziplin mehr. Ihr die dringend benötigten Mittel und Foren zu verschaffen ist daher nicht mehr nur Aufgabe der Universitäten und Verlage, sondern wäre dringendes Gebot einer weitsichtigen Bildungs- und Aussenpolitik. (Quelle: Neue Zürcher Zeitung)
لغو
ذخیره و ثبت ترجمه
دیدگاه کاربران